Der ewige Traum Chile & Argentinien zu Fuß, Motorrad, Segelboot und Pferd zu entdecken war Antrieb zum Start einer unvergesslichen und einzigartigen Reise im September 2022.
DAS ist eine kleine Geschichte von zwei recht unterschiedlichen Seelen auf der Suche nach dem Abenteuer und innerer Erkenntnis, mit einem gemeinsamen Nenner der beide verbindet - dem Mut zum Aufbruch…
(übrigens: sie startet wie üblich ganz unten und arbeitet sich hinauf... )
Mit den Erzählungen aus www.micamino.org begann das ICH.
Resümee meiner „Auszeit“
Philosophische Stunden am Dach - August 2023... und danach
AUS ist ein sehr zutreffendes Fragment, denn die Zeit verfliegt...
(Details aus meiner inneren Welt könnt ihr dem Roman entnehmen, der in ferner Zukunft von der nächsten Generation vielleicht veröffentlicht wird. Aber soviel sei gesagt:
Nach Monaten des unbewussten „Suchens“ wurde mir bewusst, dass ich zwar den "Sinn meines Lebens" noch nicht gefunden hatte, was ich aber gefunden habe, sind wundervolle Werte und das Bewusstsein, dass ich "sein" darf und das ist schön.
Jänner 2024
Genug Müll von gestern. Micamino.org wird „umstrukturiert“. Ay! 😉
Ankommen - aber wo?
Als ich zuhause ankam, war alles anders. Die vermeintlich wichtigsten Aspekte meines Lebens hatten sich schlagartig verändert. Mein Haus am Dach war zwar noch da, fühlte sich aber tagelang fremd an. Ich hatte kein klares Ziel vor Augen, war verwirrt, desorientiert, verstört und verletzt. Ich suchte meine Familie, Freunde und Aufgaben. Ich suchte einen Sinn in meinem Dasein. Ich suchte irgendetwas. Die Wochen verflogen wie Augenblicke und alles Reale schien verschwommen hinter wagen Erinnerungen aus einer parallelen Welt. Ich fühlte mich allein und wollte auch allein sein. Ich wollte die Augen schließen und auf mein Herz hören, ganz ohne Nebengeräusche. Ich wollte aufmerksam lauschen, was es zu sagen hatte. Ich wollte mein Umfeld spüren, ohne es zu berühren.
Mein Vater hat immer gerne Konfuzius zitiert, der wohl sagte: „Wer das Ziel kennt, kann entscheiden. Wer entscheidet findet Ruhe. Wer Ruhe findet, ist sicher. Wer sicher ist, kann überlegen. Wer überlegt, kann verbessern.“
Über dieses Ziel habe ich nachgedacht, vielleicht viel länger als es gesund ist, vielleicht auch noch viel zu kurz. Mein oberstes Ziel war es im Grunde immer, alles was ich tue, aus Liebe, mit Leidenschaft und vor allem in guter Absicht zu tun und darauf zu hoffen und zu vertrauen, dass es irgendwann erkannt wird und Früchte trägt. In dieser Liebe möchte ich ankommen, alles andere sind nur Raststationen des Lebens.
All dem Gewitter zum Trotz bin ich unendlich dankbar und glücklich, dass ich all das erleben durfte, was ich erlebt habe. Ich möchte keine Sekunde davon missen. Nicht einmal die Dunkelste, denn in ihr bin ich gewachsen.
Etappe 64 - Hamburg - Mattsee - Adnet - ca. 900 km
Am Mittwoch nach einem unbeschreiblich hervorragenden Mittagessen sattelte ich schließlich meinen Stahlesel vorerst ein letztes Mal für die Heimreise nach Österreich. Mein Weg führte über verwinkelte Landstraßen zu einer Biker Pension ins Harz. Gesellige junge „Rennfahrer“ und eine sympathische, bunte Runde aus Dänemark sorgten für beste Unterhaltung und ich schlief so tief und friedlich, dass ich nicht einmal das apokalyptische nächtliche Gewitter mitbekam.
Am nächsten Morgen steuerte ich weiter Richtung Süden und hätte gerne den charmanten Campingplatz an der Saale im Thüringer Schiefergebirge ausprobiert, doch der Wetterbericht motivierte mich zum Bayrischen Landgasthof Haueis, den ich nicht nur wegen seiner kulinarischen Vorzüge keinesfalls missen möchte. Durch eine Begegnung der ganz besonderen Art mit einem sympathischen Diplomatenpärchen wurde der Aufenthalt spannend und kurzweilig.
Unweit vom Gasthof fand ich am Ende des herzigen Spiegelsees beim Peterleinstein die ultimative Fichte aller harzigen Fichten und sammelte Zutaten für meine erste selbstgemachte „fränkisch-pinzgauerische“ Pechsalbe.
Zugepflastert mit allerlei Erinnerungen sollte auf meinem Rückweg durch Wind und Regen weder Langeweile noch Unmut aufkommen. Schließlich war ich inzwischen so einiges an klimatischen Launen gewohnt und mein nächstes Etappenziel war doch tatsächlich meine Heimat Österreich! So sitze ich heute Nacht auf meinem kleinen Segelboot am Mattsee und tippe diese Zeilen, meine kleine Maschine steht draußen vor dem Strandbad und schaut mir friedlich zu. Morgen fahren wir nach Adnet.
Morgen, am 24. Juni 2023, werden wir wieder zuhause sein und vermutlich bald schon vom nächsten Abenteuer träumen…
Am 16. Juni 2023 war es soweit. Ich bekam die Meldung, dass meine kleine Inderin erfolgreich durch den Zoll geschleust wurde und nun in der mir bereits vertrauten Verladestation Contex am Hamburger Hafen geduldig auf mich wartete. Grund genug bald darauf in den Zug Richtung Norden zu hüpfen und meine „Mission Chile & Argentina“ langsam aber sicher zu beenden.
Meine wertvollen Freunde Rudolf und Oda empfingen mich in Hamburg genauso warmherzig und unterstützend wie sie mich damals verabschiedet hatten. Rudolf brachte mich in aller Früh zusammen mit einem Benzinkanister zum Hafen…
Die lange Reise hinterließ ihre Spuren auch an meiner Maschine. Schimmel, Flugrost und defekte Teile waren nicht zu vermeiden, doch das engagierte Team von Legendary Cycles in Hamburg sowie ein funktionierender Hochdruckreiniger regelten das vorprogrammierte „malheur“ so gut wie möglich und die 15kg Geschenke in einer Marokkanischen Kamelleder-Teppich Tasche aus dem Barrio Italiano in Chile schickte ich von Hamburg aus mit DHL in die Heimat.
Wunderbare, spannende und erfolgreiche Tage zwischen Hafen, Alster und heißer Ecke unterbrachen erneut meine sich langsam wieder einschleichende Routine.
Ich liebe Märchen. Jedoch sind kaum welche so verrückt und überraschend wie die Geschichten, die das wahre Leben schreibt, wenn man nur aufmerksam hinsieht. Man glaubt, eine Reise auf einen anderen Kontinent zu unternehmen und letztendlich in sich selbst zu reisen. Man glaubt vielleicht, woanders Wahrheiten finden zu können, aber letztendlich mit noch mehr Verwirrungen zurückzukehren. Man lebt, man liebt, man leidet, man fällt, man steht auf, man lächelt und schaut wieder nach vorne. Egal ob die Reise ans Ende der Welt geht oder auch nur in den Garten, eine Reise ist niemals zu Ende bis das Leben an sich zu Ende geht und selbst dann lebt man als Teil der Geschichte eines anderen weiter. Die unendliche Geschichte war schon mein Lieblingsfilm als Kind. Ich wünschte heute noch, ich hätte einen Glücksdrachen namens Fuchur an meiner Seite...
Aus diesem Grund habe ich beschlossen, dieses literarische Hoppala www.micamino.org weiterzuführen. Mein Papa kann zwar nicht mehr mitlesen, aber vielleicht sieht er mir jetzt von oben zu. Dir, lieber Papa, widme ich alle meine Abenteuer. Bis zum Ende.
Ostern auf der Osterinsel, so dachte ich, sei ein wunderbarer Abschluss unserer abenteuerlichen Reise und der ideale Ort, um nach über 15.000 zurückgelegten Kilometern eine vielversprechende Basis zur ganzheitlichen Erholung zu schaffen, zu sinnieren, zu reflektieren sowie verständnis- und liebevoll Erinnerungen aller Art auszutauschen. Das einzigartige Ostergeschenk von Moai zu Moai zu wandern, im bunten Unterwasserleben zu schweben, auf den unglaubliche 500m hohen Berg der Insel zu reiten, hübsche IsulanerInnen bei ihren tänzerischen Kultur-Schauspiel zu bewundern, von herzlichen und engagierten Menschen beherbergt zu werden und Inselgeschichte demonstriert zu bekommen, die berühmten Tunfisch Empanadas und andere Köstlichkeiten zu verspeisen, mit dem Rad zum schönsten Sandstrand der Insel zu fahren und 8 Tage in einer zauberhaften, romantischen, sehr abgelegenen Cabaña mit (m)einem geschätzten und wertvollen Freund verbringen zu dürfen, konnte ich doch nur dankbar annehmen und tunlichst genießen, oder? Es begann täglich zu regnen, aber ich bemühte mich stets im Regen zu tanzen. Ich wurde patschnass. Wahrscheinlich hast du recht, mein Freund. Wahrscheinlich hatte ich den Regentanz getanzt.
Etappe 63 - Isla Negra - Container Lager von San Antonio - ca. 30 km
Die klopfende Kette und der leere Tank machten mir diesmal kein Kopfzerbrechen mehr. Christof blieb als treues Begleitfahrzeug und späteres Santiago-Shuttle dicht hinter mir bis zum staubigen Parkplatz des Containergeländes, an dem ich mich im Oktober von allen anderen Motorradabenteurern verabschiedet hatte. Wir wurden mit freudigem Winken und Lächeln von neuen Gleichgesinnten empfangen und die Vorbereitung zur Verladung verlief reibungslos. Da stand sie nun, meine treue und dreckige Freundin aus Stahl, mit abgeklemmter Batterie und wartete auf ihr Schicksal. Ich dankte ihr liebevoll und verlies die Lagerhalle.
Eingequetscht zwischen Mann und Restgepäck auf dem Weg nach Talagante dachte ich mir: Gott sei Dank bin ich nicht eine dieser Frauen, die in diesem Zustand mit ihrem Partner um die Welt reisen (müssen)… haha (wo zum Teufel ist dieser Affe auf der Tastatur, der sich die Augen zuhält??? ;) ) … und ich freute mich auf Pata‘s Mutter und Tante, die uns in ihr wunderschönes Zuhause eingeladen hatten, um gemeinsam unsere Rückkehr zu feiern.
Etappe 62 - Laguna Verde - Isla Negra - ca. 100 km
2014 verschlug mich das Leben schon einmal in die Region Isla Negra rund ums Strandhaus des berühmten chilenischen Schriftstellers Pablo Neruda. Am Weg dorthin führte mich damals eine unglückliche Entscheidung in die wohl unfreundlichste Straße von Chile geradeaus in ein Rudel wütender Hunde im nebligen und menschenleeren El Quisco. Damals hätte mir nicht träumen lassen, jemals wieder an diesen Ort zurückzukehren, sollte ich diese Attacke überleben und doch fand ich mich nun im Abril 2023 in einem kleinen Restaurant unweit dieser Straße wieder. Fast 10 Jahre später (aber keinen Funken vernünftiger) musste ich feststelle, dass sich El Quisco im Spätsommer gar nicht so übel präsentierte wie in meiner Erinnerung verankert. Ich schloss letztendlich Frieden mit diesem Dorf und kaufte Souvenirs.
Mein letzter Abend mit meiner kleinen Inderin, deren Kette nun endgültig am Ende war, verlief ebenso friedlich und unspektakulär. Ich selbst war auch am Ende angekommen - glücklich und fertig in vielerlei Hinsicht.
Etappe 61 - Pichidangui - Laguna Verde - ca. 170 km
Der Tag war jung und vielversprechend, sollte er doch der Tag sein, an dem ich nach fast 7 Monaten wieder an einem Ort stehen würde, an dem ich diese Reise einst begonnen hatte. Ein Gefühl von Vertrautheit begleitete mich nach einigen idyllischen und immer noch unbekannten Küstenkilometern, zu deren Highlight ich insgeheim den Ort Papudo kürte, ab dem Roca Oceanica. Die Landzunge der bunten Großstadt Valparaiso war in Sichtweite!
Wir gönnten uns eine köstliche Fajita-Stärkung im regen Treiben der Caleta Portales in Valparaíso, umkreisten die Großstadt entlang der Küste und nahmen Kurs aufs ungewisse Abenteuer von Laguna Verde. Meine Absicht, noch zwei Nächte in einem charmanten, rustikalen Bergspa fernab vom Trubel der Stadt zu genießen, musste ich mir schwer erarbeiten. Die letzte 3 Kilometer hinauf zum angepeilten Parador führten über die mit Abstand furchtbarste „Straße“ der gesamten Reise. Eine enge, steile, kurvige, sandige und in jeder Hinsicht kaputte Schlaglochpiste in einem Labyrinth an noch hässlicheren Alternativen kostete mich den letzten Nerv. Innerlich konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich weinen oder schreien sollte. Mit jedem Meter wurde der Weg gruseliger und an ein Umdrehen war nicht zu denken. Verflucht, in Österreich gab es wenigstens ein Totenkopf Warnschild vor einem ausgesetzten Klettersteig ohne Notausstieg, dachte ich mir - ich war am Rande der Verzweiflung. Gott weiß wie, kam ich an, mit schlottrigen Knien und ungesund hohem Pulsschlag, aber überraschenderweise inklusive aller Körperteile und ohne Unfall. Christof half mir, mein schweres Gefährt im ausnahmslos steilen Gelände des (ironischerweise) „Erholungs“-Resorts zu parken. Die Begrüßung des Gastgebers glich eher einem Therapiegespräch. Ich fürchtete bereits im Moment der Ankunft, die nächsten 48h Angst vor der Abreise haben zu müssten, bis mir der Besitzer unverhofft erklärte, dass es auch eine Alternative zu dieser Straße gegeben hätte…. Das Bier im Badefass schmeckte fantastisch in dieser Nacht.
Etappe 60 - Vicuña - Pichidangui - ca. 350 km
Die Berge nahmen kein Ende. Es wurde immer einsamer und sandiger im ewigen Nichts. Irgendwann gab es nicht einmal mehr Observatorien und der Weg wurde enger und steiler, war jedoch stets mit gewaltigen Ausblicken geschmückt. Nach langen 50 Kilometern auf und ab erreichten wir verschlafene Bergdörfer und erholsamen Asphalt. Die kurvenreiche Straße Richtung Ovalle, ein einziges Eldorado für Motorradreisende, ließ uns sanft beschleunigen bis wir irgendwann schließlich wieder mit rasender Maximal-Reisegeschwindigkeit (100km/h) über die Ruta 5 gegen Süden düsten. Bei Abenddämmerung erreichten wir den Strand von Pichidangui, bauten ein letztes Mal das schützende Zelt auf und verkochten unseren letzten Proviant zu einer schmackhaften Pasta Marinera. Es schien ein würdiger Campingabschluss in Südamerika gewesen zu sein.
Etappe 59 - La Serena - Vicuña - ca. 70 km
Die Stadt hatte ihren Nutzen, denn Christof brauchte dringend eine neue Kette und diese lies sich dort leicht aufstöbern und montieren. Zu meiner großen Überraschung fanden wir in einer Naturoase quasi mitten im Zentrum Asyl, woraufhin wir am nächsten Tag ausgeschlafen und motiviert dem Verkehr in Richtung Berge entkamen. Die „Ruta de las Estrellas“ sollte der letzte große Umweg werden. Da sie mit einer Reihe Observatorien bestückt ist und die Region ca. 350 Sonnentage im Jahr verzeichnet, macht die Straße ihrem Namen alle Ehre. Unweit des Cerro Mamalluca fanden wir in einem Beduinenzelt das idealer Basislager und letztendlich auch meine lange ersehnten Sterne im Nachthimmel. Es war mein erster Blick durch ein Teleskop ins faszinierende Universum.
Da man von einer derart unvorstellbaren Reise in die Vergangenheit demütig seine kurze menschliche Existenz feiern will, ließen wir am nächsten Tag auch das nahe gelegene Pisco Elqui in seinem idyllischen Valle de Pisco nicht unbeachtet und gönnten uns eine Führung mit Verkostung in der Traubenmost Brennerei Fundo los Nichos… :)
Im Naturpark Pan de Azucar wird deutlich, dass großflächig beschissene Steine eigentlich eine elegante Patina haben. Langsam aber sicher fuhren wir durch die Einsamkeit der Nachsaison, in der Lokalbesitzer und Campingplatzbetreiber sich über den einzigen Gast freuten und Naturparkwärter einfach winken und grüßen statt zu kassieren. Die Nacht im Zelt am Strand hatte etwas Magisches, das neben dem Pisco Sour an der Strandbar sicherlich dem beruhigenden aber heftigen Rauschen des Meeres geschuldet war. Es ging mir ganz offensichtlich wieder besser und ich war gerüstet für die folgenden längeren Etappen Richtung La Serena und den unvermeidlichen Gang zum Notar, der mir ins Bewusstsein rief, nun tatsächlich die letzte Woche meiner Motorradreise in Angriff zu nehmen…
Im ehemaligen Salpeterhafen und einstigem Ende von Chile Talal angekommen, musste ich mir eingestehen, dass ich meine Kur hier fortsetzen sollte. Obwohl die toten Seehunde am Strand (wie wir später lernten, einige Opfer der vorherrschenden Vogelgrippe) einen längeren Aufenthalt nicht unbedingt unterstützten, spannten und schmierten wir hier unsere etwas in Mitleidenschaft gezogene Motorradketten und verbrachten zwei ruhige Tage im Rahmen unserer vorherrschenden Gelüste und Möglichkeiten.
Noch nie hatte ich den Kreislauf des Leben irgendwo deutlicher vor Augen als in Taltal. Hunderte von Sardinen waren tot und lebendig in der Bucht von Taltal, was wiederum unzählige Fische, Seehunde, Pelikane und andere Seevögel anlockte. Die toten Seehunde wiederum zogen die weniger toten Straßenhunde an und der Überfluss an Fischbestand zahlreiche Fischer vom Kleinkind bis zum Greis. Ein einziges Fressen und gefressen werden. Am letzten Abend endete Christof‘s x-ter Fischereiversuch für unsere Verhältnisse extrem erfolgreich. Eine in der Materie wesentlich versiertere Familie, die ihr Glück an seiner Seite versuchte, schenkte uns schließlich aus Mitleid einen Monito, einen chilenischen Tunfisch, den wir uns im Hotel zubereiteten und im Innenhof feierlich verspeisten.
Da der Nachthimmel rund um San Pedro stets wolkenverhangen und meine Stargazing Versuche in Chiu Chiu eher von schwindeligen Blitzen im Fiebertraum geprägt waren, nahm ich all meine Energie zusammen und beschloss am späten Nachmittag gegen Süden zu pilgern. Christof war inzwischen wieder an meiner Seite und versuchte liebevoll, mich mit Tee und Früchten aufzupäppeln. Unser gemeinsames Ziel war es, die morgendliche Führung durch das ESO Observatorium am Cerro Paranal mitzuerleben. Dazu fuhren wir im Nachmittagswind vorbei an endlosem Minengelände ins letzte „vernünftige“ Schlaflager: die verrufene Metropole Antofagasta.
Kurz nach Sonnenaufgang fuhr ich mit deutlichem Erholungsmangel und einem Überlebenskeks im Bauch auf das ca. 2600m hoch gelegene Teleskopgelände der berühmten Europäischen Forschungsstation, um zu erfahren, wo mitunter unsere Steuergelder hinfließen. Diese Führung war die Mühe wert, denn auch ganz ohne Sterne weckte der Ort eine einzigartige Faszination, nicht nur wegen der gewaltigen Fernsicht vom Pazifik bis nach Argentinien.
Etappe 53 - San Pedro de Atacama - San Francisco de Chiu Chiu - ca. 130 km
Die darauffolgende Nacht hätte kürzer nicht sein können. Mit groben Halsweh und Gedanken aller Art im Kopf versuchte ich erfolglos Erholung zu finden bis der Wecker um 4:00 läutete. Ich hätte ihn nicht gebraucht. Ich musste mitten in der Nacht mein Hotelzimmer räumen, da ich mir eine Tour zu den Geysiren von El Tatio nicht entgehen lassen wollte. Um 4:40 stand der Minivan vor der Tür und lud mich ein. Wir fuhren durch die Nacht auf 4.200m und frühstückten elegant auf einem Hochplateau neben dem Geysir Blanco im Sonnenaufgang. Die spektakuläre Tour mit unserem engagierten Führer Javier begleitet von Vikuñas, Lamas, Flamingos, Taguas und anderem heimischen Getier war jeden Cent und Schlafmangel wert.
Mit dem Temperaturanstieg von -1°C am Morgen zu 30° Mittagshitze in San Pedro kämpfend verlies ich den Ort glücklich aber geschwächt mit leichtem Fieber, Kopfweh und Schnupfen Richtung San Francisco de Chiu Chiu. Am Windpark über Calama riss mich beinahe ein Minitornado vom Stahlesel und die Anreise vorbei an den Minenort Calama mit seinen hunderten von LKWs und Schwertstarbeitererscheinungsbild sowie unzähligen Friedhöfen im weißen Staub förderte meine morbide Haltung ein bisschen. 130 eher quälende Kilometer trennten mich noch von einem feinen Bettchen im bezaubernden Hotel Sol del Desierto mit hauseigener Sternwarte. Aber dazu später…jetzt gilt es erst einmal gesund zu werden!
Da mir meine Abenteurer-Seele keine großartigen Ruhepausen an einem Ort, an dem es doch soviel zu entdecken gab, gestattete, brach ich gleich am nächsten Tag auf um über mistige Straßen in die Hochebene der Atacamawüste zu rumpeln auf der Suche nach den Termas de Puritama. Dort angekommen wurde mir klar, dass ca. 34°C Wassertemperatur bei ca. 34°C Außentemperatur nur bedingt attraktiv klingen und beschloss stattdessen ins glasklare Wasser des charmanten Río Puritama in der Quebrada de Escalera einzutauchen. Am Abend traf ich die sympathischen chicas aus UK wieder, mit denen ich in Argentinien den 2-tägigen Camping Austritt erleben dürfte. Wir reflektierten und plauderten fröhlich mit Pisco Sour in der Pulpería.
An Tag 2 in San Pedro wechselte ich das Gefährt und begab mich auf eine ehrgeizige Mountainbike Tour ins Valle Catarpe mit seinen imposanten Naturschauspielen. Es war rein landschaftlich gesehen die spektakulärste Radtour meinen Lebens. Die Fahrt führte mich unter anderem durch den zerklüfteten Garganta de Diabolo mit einer verbundenen Bergtour zu einem der wohl gewaltigsten aller Aussichtspunkte, die diese Wüste zu bieten hat. Der steile Anstieg zum eigentlich wegen Erdrutsch gesperrten Tunnel war das Bagatelldelikt wert, mir den Ausblick von dort oben nicht entgehen zu lassen. Von der Sonne verbrannt, von der Höhe gezeichnet und von der Anstrengung körperlich ziemlich zerstört, retournierte ich das Bike mit einem begeisterten Lächeln und freute mich auf‘s schwer verdiente Abendessen.
Etappe 50 - Sayta Ranch - Purmamarca - ca. 200 km
Schweren Herzens nahm ich Abschied von Pferd & Co. und bestritt die spektakuläre Strecke über die dünne Serpentinenstraße durch einen hübschen Urwald über den Pass Abra Santa Laura ins bezaubernde aber recht touristische Bergdorf Purmamarca. Umgeben von den hunderten Farben der Gebirgslandschaft, die zweifelsohne die Wanderlust in mir weckten, schlenderte ich nicht nur im roten Sand über die Berge, sondern auch durch den bunten Straßenbazar des Dorfes. Dass Purmamarca zwar unzählige Hotels, aber keine einzige Tankstelle hatte, musste ich mir dann doch als Planungsfehler eingestehen…;)
Etappe 51 - Purmamarca - Susques - ca. 140 km
Am Folgetag ging es erstmals über den Jujuy Pass auf 4170 Meter zu den Salinas Grandes. Während meine kleine Inderin tapfer in die Höhe rollte, spürte ich die dünne Luft deutlicher, aber zum Glück hatte die Kälte meine leichte Benommenheit durch Sauerstoffmangel wieder neutralisiert. Nach einer verdienten Mate-Pause in der beeindruckenden Salzwüste zog ich weiter in das verlassenen Bergdomizil Susques zur letzten geplanten Übernachtung in Argentinien. Ich wurde einfach aber herzlich verpflegt.
Etappe 52 - Susques - San Pedro de Atacama ca. 270 km
Diese Etappe über den Paso de Jama nach Chile und durch die Reserva Nacional de Flamencos unter wolkenlosem Himmel war eine der Schönsten der gesamten Reise. Jeder Kilometer bot mir ein einzigartiges Naturerlebnis und jeder Fleck Erde lud zum Träumen ein. Salzlagunen, Vulkane, leuchtende Berge, wilde Esel, Vikuñas, Lamas, Flamingos. Einfach kitschig. Am Nachmittag erreichte ich mein nördlichstes angestrebtes Ziel: San Pedro de Atacama. Quartier fand ich in einem eleganten und liebevoll gestalteten Wüstenhotel in dem ich jetzt ein bisschen die Seele baumeln lasse…
Aus irgendeinem Grund lies mich die Idee nicht los, eine ganz bestimmte Ranch in Salta aufzusuchen, bei der ich mich vor Ewigkeiten als Freiwillige beworben hatte. Eine weitere Spinnerei meiner Reise, die ich nicht bereuen sollte. Christof begleitete mich auf die Farm für eine Nacht und zog am nächsten Morgen weiter Richtung Bolivien. Ich hingegen hatte die Straße mittlerweile satt und wollte keine „überflüssigen“ Kilometer mehr addieren. Die Welt schien mir einfach zu groß, um sie in der Kürze dieser Reise zerreißen zu wollen. Also blieb ich ein paar Tage hier, lies meinen Stahlesel unter dem Blechdach schlafen und „sattelte“ wieder Pferde, diesmal allerdings im Nordargentinischen Stil. Die Tage verflogen mit hervorragenden Mahlzeiten, süffigen Wein und vor allem in bester Gesellschaft. Noch so ein Geschenk des Himmels. Muuuchas gracias a Enrique, Federico, Alban, Ava, Isi, Laura, David, Javier, Ñato, Ligera & los demas! ;)
Etappe 49 - Cafayate - Chicoana - ca. 150 km
In dieser rot gefärbte Schlucht wurde der Zauber der Region wie Feenstaub über die Landschaft gestreut. Fossilien aller Art und sagenhafte Felsformationen säumten die perfekt gepflegte Straße. Der Kontrast zwischen den saftigen Grünflächen entlang des Flusses und der tiefroten sandigen Berglandschaft hätte sich kaum eindrucksvoller präsentieren können. Die Fahrt führte uns mit weit aufgerissenen Augen und neu gewonnener Neugierde schließlich in eine steinige Nebenstraße nahe dem touristisch eher vernachlässigten Bauerndorf Chicoana…
Ausgestattet mit Tipps und begleitet von Zufallsfunden aller Art brummten unsere Maschinen weitere 1000 Kilometer in den Norden Argentiniens. Von Sanddünen, Wüstenoasen, bizarren Felsformationen, Mondlandschaften, roten Steingiganten, Inka-Wäldern und Dinosauriern des Chaco secos umgeben fuhren wir auf teils staubigen, teils perfekt asphaltierten Panoramastraßen, die teils spannend ohne Ende und teils zum Einschlafen langweilig waren, in teils heftigen Winden und teils glühender Hitze, dem nächsten Wein Eldorado Cafayate entgegen.
Familien zu viert auf einem Moped teilten mit uns die Straßen. Aus den Werkstätten duftete es um die Mittagszeit allerorts nach gegrilltem Huhn. Die ersten Lamas und Esel grinsten uns vielversprechend und verloren in den ewigen Weiten der Strauchlandschaft an. Die Welt hatte sich in kurzer Zeit schon wieder zu ganz neuer Form gewandelt.
Etappe 43 - Malargüe - Mendoza - ca. 350 km
Es war ein wegweisender Zufallsfund. Das bezaubernde 100 Jahre alte Steinhaus mit Garten in einem Vorort von Mendoza, eingebettet zwischen unzähligen Weinkellern und einer alten Bahntrasse unweit vom quirligen Dorfleben mit hervorragender Infrastruktur, wurde uns von dem vielleicht herzlichsten Gastgebern von Argentinien für fast eine ganze erholsame Woche übergeben. Ich hatte schon beinahe vergessen wie unbeschreiblich schön es ist, viele Tage hintereinander im gleichen Haus aufzuwachen, einen Kühlschrank zu füllen und selbst zu kochen…
Obwohl zwischen Motorrad Service beim örtlichen Royal Enfield Händler in Cuyo und diverses Reparaturen an Mensch und Maschine die Zeit zum Genießen letztendlich kürzer war als erhofft, reichte sie aus, um ausreichend Malbec & Lebensenergie zu tanken, neue Pläne zu schmieden und die Gedanken langsam aber sicher Richtung Norden zu richten...
Wir verbrachten wunderbare Tage mit wunderbaren Menschen, wunderbaren Wein und wunderbaren Gesprächen an einem wunderbaren Ort. Für diese Zeit kann ich nicht genug danken.
Etappe 42 - Chos Malal - Malargüe - ca. 340 km
Man hatte uns gewarnt. Wenige Kilometer vor der berüchtigten Gruselstrecke der Ruta 40 stärkten wir uns mit Äpfel und Mate unter dem so ziemlich einzigen schattenwerfende Baum am Rande einer kleinen Oase im kargen Nichts. Die „verfluchten Hundert“ waren in Wahrheit verfluchte 75 km grob schotterige, staubige, löchrige Dreckpiste mit unzähligen Wüstensand-Verwehungen, die unsere Maschinen ständig ins Schleudern brachten. Ohne diese Herausforderung hätte ich die erstaunliche Landschaft Meter für Meter genießen können, aber die notwendigen konzentrierten Blicke auf den Untergrund trübten den Genuss ein wenig. Das überstandene Abenteuer war jedenfalls Grund genug am Zielort Malargüe gemütlich zu feiern.
Etappe 41 - Río Pichi Picún Leúfu - Chos Malal - ca. 270 km
Der lange Schlag nach Chos Malas zur Mitte der Ruta 40 war gesäumt von prächtigen Ausblicken auf die karge Meseta mit ihren vereinzelten grünen Oasen, bizarren Gesteinsformationen und wechselnden Farben. Die sengende Hitze brachte die lange geraden Asphaltstraßen in der Ferne zum Glühen. Als wir bei Sonnenuntergang ein schnuckeliges Gartenhotel mitten im Staub von Chos Malal erreichten, schien die Welt für einen Augenblick still zu stehen.
Etappe 40 - San Martín de Los Andes - Río Pichi Picún Leúfu - ca. 200 km
In einem Fischerladen von San Martín bekamen wir den Tipp, durch die faszinierende Wüstenlandschaft rund um Pilolil entlang des Río Aluminé und Richtung Parque Laguna Blanca zu fahren. Das bedeutete zwar eine lange dubiose Schotterpiste mehr, wurde aber mit gewaltigen Panoramen belohnt. Ausgestattet mit dem wohl lächerlichsten improvisierten Fischereiwerkzeug aller Zeiten stürzten wir uns auf die Zielgruppe: den zweifellos dämlichsten Fische Argentiniens mit irreparablen Hirnschaden und Selbstmordallüren. Unsere dilettantischen Fischversuche blieben weiterhin erfolglos.
Der Staub und die Hitze zwangen uns am späten Nachmittag zu einem Zufallsstop unter einer Brücke, der sich als Tor zu einem ungeahnten Paradis erweisen sollte. Drei sympathische argentinische Motorradfahrer, die uns bereits in den zauberhaften Wäldern rund um Bariloche gesichtet hatten, erzählten uns von der vorherrschenden Vogelgrippe an der Laguna Blanca und den damit verbunden Beschränkungen, woraufhin wir alle beschlossen, die Nacht am Fluss an Ort und Stelle zu campieren. Der Blick aus dem „Schlafzimmerfenster“ ins Naturswimmingpool war so unbezahlbar wie der Abend und der darauffolgende Morgen in dieser freundlichen Gesellschaft.
Etappe 39 - Lago Perito Moreno - San Martín de Los Andes - ca. 220 km
San Martín de Los Andes inspirierte mich zum Lieder komponieren, die bei Abreise stundenlang in meinen Helm sang - so wohltuend und aufbauend empfand in die beiden gemütlichen Nächte im Hotelzimmer, die unspektakulären Spaziergänge durch die quirligen Straßen des modänen Skiorts und den Tag am Strand gefüllt mit Nichts außer in die Luft schauen und dahin sinnieren. Lebensenergie tanken.